Nachlese zum türkisch-deutschen Übersetzungsworkshop am 19.11.2019

Heißt „bilgili“ nun schlau, informiert, kenntnisreich, intelligent, jemand, der viel weiß, oder: eine, die Ahnung hat? Dreizehn Schülerinnen und ein Schüler der Q1 hatten tolle Ideen zum Einstieg in den Übersetzungsworkshop in ihrem Türkisch-Leistungskurs und merkten: Adjektive lassen sich je nach Kontext verschieden übersetzen.

Im zweiten Teil verglichen wir fünf verschiedene Übersetzungen des Gedichts „Ceviz Ağacı“ („Der Walnussbaum“ oder „Der Nussbaum“) von Nâzım Hikmet. Mit ausgezeichnetem Sprachgefühl für beide Sprachen arbeiteten die SchülerInnen feine Unterschiede auch der Sprachebenen heraus.

Dann mussten sie selbst ran. LiteraturübersetzerInnen übersetzen normalerweise in die eigene Muttersprache. Bei deutschen SchülerInnen mit Eltern oder Großeltern aus der Türkei ist die Frage nach der Muttersprache gar nicht so einfach zu beantworten, also hatten sie die Wahl, in welche Richtung sie übersetzen wollten. Zehn Schülerinnen entschieden sich dafür, ins Türkische zu übersetzen, und knabberten dann doch ganz schön an einem Kapitel aus Juli Zehs Roman „Unterleuten“. Ein anspruchsvoller Text, der erst einmal im Original verstanden sein will. Die vier SchülerInnen, die lieber ins Deutsche übersetzen wollten, hatten mit der Kurzgeschichte „Karaca“ von Seray Şahiner einen stellenweise umgangssprachlichen Text vor sich. Wie nur all die türkischen Interjektionen übersetzen? Und was ist mit Wörtern, die Eigenname sein können, aber auch eine Bedeutung haben? Alle Gruppen fanden schlüssige Lösungen, die sie auch begründen konnten. Eine wichtige Erfahrung: Es gibt beim Übersetzen nicht DIE eine Lösung.

Ein großer Dank an die tollen SchülerInnen und ihre engagierte Lehrerin Hacer Akgün, es macht Spaß, mit euch zu arbeiten, und ermöglicht uns allen neue Perspektiven!

Sabine Adatepe

Literaturübersetzerin und Leiterin des Workshops