Übersetzungsworkshop 05.11.24 im Rahmen des Literaturdistrikt Festivals

Ein Bericht von Sabine Adatepe M.A.

Literaturübersetzerin und
Leiterin des Workshops

Mit neunzehn Schüler:innen eines Türkisch-Grundkurses unter Leitung der Lehrerin Hacer Akgün führte ich am 5. November 2024 im Rahmen des Begleitprogramms zum Literaturdistrikt Festival Essen einen Workshop zum literarischen Übersetzen am Grillo-Gymnasium durch. Mein Ziel war, die Schüler:innen für den kreativen Prozess des literarischen Übersetzens zu sensibilisieren, zweisprachige Lese- und Schreibkompetenzen zu fördern und literarische Texte in den Alltag zu integrieren.

Zu Beginn bat ich jede:n, seinen/ihren Namen und ein Adjektiv auf Deutsch oder Türkisch mit demselben Anfangsbuchstaben zu nennen. Mit den Adjektiven stiegen wir sogleich ins Übersetzen ein. Was auf den ersten Blick einfach erschien, erwies sich als durchaus knifflig. Ist der Tisch robust, stabil, heil oder hart? Und die Kursleiterin nun kräftig, gesund, solide oder eben auch „stabil“? Das türkische Wort „sağlam“ kann all dies und noch einiges mehr bedeuten. Für eine adäquate Übersetzung braucht es also Kontext, und dennoch wird sie stets Interpretation sein.

Weiter ging es mit türkischen Mauersprüchen. Zunächst galt es, den Witz und/oder tieferen Sinn zu verstehen, um anschließend in Partnerarbeit eine passende Übersetzung zu erarbeiten. Tolle Vorschläge kamen, aber würden wir sie so auf eine Mauer schreiben? Hier sollten Sprachebenen erkannt und adäquat umgesetzt werden. Sicher in beiden Sprachen erzielten die Schüler:innen gute, zum Teil sehr gute Ergebnisse.

In einem berufsbezogenen Exkurs klärten wir Fragen wie: Worin besteht der Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen? Was übersetzt eine Literaturübersetzerin, wie und von wem bekommt sie ihre Aufträge? Welche Schritte liegen zwischen dem Übersetzen und dem fertigen Buch? Wer bestimmt Cover und Titel?

Schließlich übersetzten die Schüler:innen wiederum in Partnerarbeit die ersten Absätze des Romans „Ağaçtaki Kız“ (Das Mädchen auf dem Baum) von Şebnem İşigüzel. Im Plenum erörterten wir die unterschiedlichen Ergebnisse und erfuhren, dass genaues Lesen ebenso wichtig ist wie Interpretieren und bei der Übertragung gute Lesbarkeit wichtiger sein kann als wörtliche Übersetzung. Am Schluss stand ein kurzer Vergleich mit einer Übersetzung derselben Textstelle, die deutliche Mängel aufwies. Wer hatte die wohl angefertigt? Die KI!

 

Die Schüler:innen waren interessiert und engagiert dabei. Mir hat die Arbeit mit ihnen viel Spaß gemacht – und ich hoffe, der Workshop ihnen auch.