Anatomie und Geschichte eines Schreib- und Buchprojekts für Jugendliche im Ruhrgebiet

Am 6. September 2024 fand die Veranstaltung „Die Essener Anthologien. Anatomie und Geschichte eines Schreib- und Buchprojekts für Jugendliche im Ruhrgebiet“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, die Geschichte, den Entstehungsprozess und die Bedeutung der Essener Anthologien als Plattform für junge Schreibende im Ruhrgebiet vorzustellen und zu reflektieren. Eingeladen waren Vertreter*innen aus Kultur, Bildung und Literatur sowie interessierte Jugendliche und deren Eltern. Der Abend bot Raum für Einblicke, Diskussionen und die Präsentation ausgewählter Werke.

Die Essener Anthologien sind ein Schreib- und Buchprojekt, das seit 2005 jungen Menschen im Ruhrgebiet die Möglichkeit gibt, ihre literarischen Talente zu entdecken und zu entfalten. Ziel des Projekts ist es, Jugendlichen durch professionelle Begleitung von Autorinnen, Lektorinnen und Gestalter*innen Einblicke in den Schaffensprozess eines Buches zu geben. Dabei entstehen Anthologien, die die Vielfalt und Kreativität der jungen Schreibenden dokumentieren und eine Plattform für deren Stimmen bieten. Das Projekt wurde von Dr. Artur Nickel (auch Hrsg.) ins Leben gerufen, der die Essener Jugendanthologien seit 20 Jahren mit großem Erfolg weiterführt. Herausgeber der „Die Essener Anthologien. Anatomie und geschichte eines Schreib- und Buchprojekts für Jugendliche im Ruhrgebiet“ ist Prof. Dr. Ralf Köhnen von der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Die Veranstaltung begann mit einer Begrüßung, die das Publikum herzlich willkommen hieß und die Bedeutung des Projekts für die Region hervorhob. Es folgte ein übersichtlicher Vortrag über die Geschichte der Essener Anthologien. Dabei wurden Meilensteine und Herausforderungen aus den vergangenen Jahren ebenso thematisiert wie die positiven Auswirkungen auf die Teilnehmenden.

Im Anschluss fanden Lesungen aus dem Buch, die ermöglichten einen facettenreichen Einblick in das Projekt: Ehemalige Teilnehmerinnen berichteten von ihren persönlichen Erfahrungen und der Bedeutung, die das Schreiben für sie gewonnen hat. Unter ihnen war auch die ehemalige Schülerin des Grillo Gymnasiums, Aleyna Pamuksuz, die mittlerweile als Medizinerin tätig ist. Sie las ihren Text „Liebe Leserinnen und Leser…“ und lobte das Projekt sowie das kreative Schreiben in höchsten Tönen. Ihre Worte betonten, wie wertvoll diese Plattform für die persönliche und berufliche Entwicklung sein kann.

Ebenfalls hervorgehoben wurde der Beitrag von Hacer Akgün, die aus schulischer Perspektive darlegte, was dieses Projekt für die Schule und die Schüler*innen bedeutet. Ihr Text im Buch beschreibt eindrucksvoll, wie das Projekt nicht nur die Kreativität fördert, sondern auch die Gemeinschaft stärkt und neue Perspektiven eröffnet.

Ein besonderer Höhepunkt des Abends war die Lesung ausgewählter Texte aus den bisherigen Anthologien. Junge Autor*innen trugen ihre Werke persönlich vor und beeindruckten das Publikum mit ihrer sprachlichen Vielfalt, Kreativität und Emotionalität. Die Lesungen wurden von musikalischen Beiträgen untermalt, die der Veranstaltung eine besondere Atmosphäre verliehen.

Zum Abschluss der Veranstaltung wurden Perspektiven für die Zukunft des Projekts skizziert. Geplant ist, das Angebot weiter auszubauen, mehr Jugendliche zu erreichen und neue Kooperationen mit Schulen und kulturellen Institutionen einzugehen. Die Veranstalter*innen bedankten sich bei allen Beteiligten für ihre Unterstützung und luden die Anwesenden ein, Teil der nächsten Runde der Essener Anthologien zu werden.

Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie wichtig Projekte wie die Essener Anthologien für die kulturelle Bildung und Jugendförderung im Ruhrgebiet sind. Sie bieten jungen Menschen die Chance, ihre Stimme zu finden, Gehör zu verschaffen und die Freude am Schreiben zu entdecken. Gleichzeitig fördern sie den interkulturellen Dialog und die literarische Landschaft der Region.

 

Grillonen wählen Texte für die Anthologien 2024 aus

Datum: November 2024

Ort: Kulturzentrum Grend Essen

Dankenswerterweise hat das Literaturbüro Ruhr im November 2024 wieder ein ganztägiges Sprechtraining für die jungen Autorinnen und Autoren im Kulturzentrum Grend Essen organisiert, die bei der Premiere der neuen Essener Anthologie mit dem Titel „Zwischen meinen Stühlen“ ihre Texte präsentiert haben. Darunter waren auch einige Grillonen. Geleitet hat ihn die Bochumer Schauspielerin und Auftrittscoachin Maria Wolf. Das war sehr gut. Hier sind einige Rückmeldungen von Jugendlichen, die daran teilgenommen haben:

 

Mir hat das Sprechtraining sehr gut gefallen und geholfen. Es war schön, so eine freundliche und angenehme Atmosphäre genießen zu dürfen. Außerdem war es auch toll, andere Autorinnen und Autoren kennenzulernen zu können. Ich konnte sehr viel mitnehmen!

Filiz-Ela Er (16 Jahre)

Die Veranstaltung hat mir persönlich sehr viel Spaß gemacht. Ich habe einiges Neue mitgenommen und freue mich schon auf die Premiere in Essen.☺️

Medinegül Karkar (18 Jahre)

Mir hat der Kurs sehr gut gefallen. Es war sehr interessant und hilfreich. Besonders interessant fand ich, wie ich die Stimme benutzen kann, um Sachen zu verdeutlichen, oder wie ich durch meine Körperhaltung und Mimik selbstbewusster und stark wirke. Durch diesen Kurs fühle ich mich viel vorbereiteter, um meinen Text vorzulesen. Vielen Dank, dass ich an diesem Kurs teilnehmen durfte!

Chantal Lehnen (16 Jahre)

Der Workshop mit Maria Wolf war wirklich inspirierend und hat mir sehr gut gefallen. Ich habe viel über das Vorlesen auf der Bühne gelernt und fand die Atmosphäre äußerst motivierend. Besonders beeindruckt haben mich die Möglichkeiten, wie man seine Aufregung vermindern kann. Außerdem fühle ich mich nach dem Workshop bereit, am Dienstag vorzulesen, obwohl ich mich am Anfang nicht getraut hatte. Ich denke, es wäre großartig, wenn der Workshop wiederholt würde, da ich sicher bin, dass viele von dieser Gelegenheit profitieren könnten. Vielen Dank noch einmal für die Organisation und die Möglichkeit, mit Maria Wolf zu arbeiten! Ich freue mich und bin gespannt auf die weiteren Entwicklungen.

Irem Yilmaz (16 Jahre)

Premiere der Essener Jugendanthologien 2024 – „Zwischen meinen Stühlen“

Was für eine schöne Premiere… 

… und auch wieder zahlreiche Grillonen dabei.

Ein voller Saal, bewegende Texte und ein Publikum, das gespannt lauschte. Was will man mehr, wenn es ein neues Buch der Essener Anthologien zu feiern gilt! An die 300 Jugendliche zwischen 10 und 20 Jahren aus dem Ruhrgebiet hatten Texte zu dem Thema „Zwischen meinen Stühlen“ geschrieben, unter ihnen viele mit einer Migrationsgeschichte in der Familie.  Am Dienstag, dem 19. November 2024, war es so weit. Über 120 Jungautorinnen und -autoren hatten den Sprung in die Auswahl geschafft und waren mit ihren Familien, Freundinnen und Freunden aus dem ganzen Ruhrgebiet gekommen, um in der VHS Essen ihr persönliches Belegexemplar abzuholen und das neue Buch in Augenschein zu nehmen.

Das war toll, galt es doch auch ein Jubiläum zu feiern. Denn inzwischen gibt es diese Reihe seit 20 Jahren. Eine richtig kleine Bibliothek ist in dieser Zeit entstanden mit über 2000 Texten. Die Reihe ist einzigartig in Deutschland. Sogar auf der Frankfurter Buchmesse treten die Jugendlichen regelmäßig auf. Und auch die literaturwissenschaftliche Forschung hat sie entdeckt.

Das Besondere an den Essener Anthologien? Bei ihnen kommen die Jugendlichen selbst zu Wort, unverstellt mit dem, was ihnen auf der Seele brennt. Und so war es auch an diesem Premierenabend. Manchmal hätte man geradezu eine Stecknadel fallen hören können, so sehr zogen die lesenden Jungautorinnen und -autoren die Zuhörenden in ihren Bann. Und das in einer Zeit großer gesellschaftlicher Verunsicherung, die auch an den jungen Menschen nicht vorübergeht! Man denke nur an die Nachwirkungen von Corona, die Kriege in der Ukraine und in Nahost, den unaufhaltsamen Klimawandel, die Erdbeben in Syrien und der Türkei! Es war daher beeindruckend zu erleben, wie die jungen Autorinnen und Autoren versuchen, mit der Situation umzugehen, in die sie hineingeworfen wurden. Mit literarischen Stimmungsbildern, Situationsbeschreibungen, aber auch kleinen Essays. Das Niveau war oft beachtlich. Wer hätte das gedacht! Das machte selbst den Herausgeber Artur Nickel immer wieder sprachlos.  Verse wie die von Tala Hamza (18 Jahre), um nur ein Beispiel zu nennen:

 

Umgeben von Ungerechtigkeit

In dieser schmerzhaften Nacht

Sitze ich still

Still, obwohl alles in mir schreit

Still, obwohl alles in mir zerreißt

 

Die Erste Bürgermeisterin der Stadt Essen Frau Julia Jacob, genauso betroffen und beeindruckt, beglückwünschte die Jugendlichen im Namen der Stadt zu ihren Texten und dankte den Beteiligten für die geleistete Arbeit.

Ein Abend, den man nicht so schnell vergessen wird, und eine Einladung, sich dem zu stellen, was diese Jugendlichen mitzuteilen haben! Es lohnt sich. Es ist wichtig für unsere Zukunft und die unserer Gesellschaft.

Getragen wird das Projekt vom Kulturzentrum Grend Essen und vom Geest-Verlag Visbek sowie von vielen Kooperationspartnern vom Türkischen Elternverband Ruhr, dem Spanischen Elternverein Essen und der Literarischen Gesellschaft Bochum über das Literaturbüro Ruhr, das Literaturhaus Dortmund und die Ruhr-Universität Bochum bis hin zu den Ruhr-Talenten sowie den Zentralbüchereien Bochum und Essen und vielen Schulen. Herausgegeben werden die Bücher von dem Bochumer Autor und Literaturvermittler Artur Nickel.